Sancho Panzers Tagebuch 2
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In diesem Jahr geht der älteste spanische Literaturpreis Premio Nadal an die Schriftstellerin Clara Sánchez. Sie erhält den Preis Nadal für einen Roman, der die Geschichte von Nazis in Spanien erzählt. Der Titel des nun preisgekrönten Werkes lautet im Original Lo que esconde tu nombre (Was dein Namen verbirgt).
Es geht um die Geschichte von Kriegsverbrecher aus Deutschland, die nach dem Ende des 2. Weltkrieges an die Costa del Sol geflüchtet sind und sich so der Strafverfolgung in entzogen. Dort konnten die Nazis leben und arbeiten ohne vom der Franco-Diktatur belästigt zu werden und auch nach dem Tod von Francisco Franco blieben sie in Spanien unbehelligt. Im Roman von Clara Sánchez geht es um Intrigen, Hass, Rache, Schuld aber auch tiefe Freundschaft und Liebe. Die Geschichte des Romans spielt in den 1980er Jahren an der Costa del Sol. Es geht um zwei Männer, ein Nazi, der sich in Spanien versteckte und einen Überlebenden des KZ Mauthausen.




Ja, ja, alte Nazis am Mittelmeer, die gibt es hier immer noch. Die sind zäh, die verrecken nicht so schnell in der Hitze. Die braten in der Sonne und reiben sich die dicken, faltigen Bäuche, die alten Sausäcke. Claro. Das verkaufte Zahngold reicht sicher aus, um sich noch länger einen schönen Lebensabend zu machen. Klar reicht es noch, na klar doch. Wo denkst du hin? Unkraut vergeht so schnell nicht, auch wenn es am Austrocknen ist. Die frische Saat kümmert das nicht, die lebt schon längst auf eigenen Unkrautfeldern. Oft genug unter der Obhut staatlicher Bewässerungsanlagen. Überall. Nicht nur hier.

Ich war vor einigen Jahren mit einem Einbeinigen an der Küste unterwegs, der sein rechtes Bein seiner Überzeugungen wegen verloren hatte. Er hat es damals ein paar hungrigen Russen hinterhergeworfen. Sie haben es dankend angenommen. Eisbein ohne Sauerkraut, verstehste? Kein Witz. Der Einbeinige war Golfspieler. Ich glaube mich zu erinnern, dass er ein Handicap von 13 hatte. Vielleicht war es ja seine Glückszahl. Ich habe ihn nie danach gefragt. Er nahm mich mit zu einem alten Grafen in einem anderen Städtchen, um mir seine Kunstsammlung zeigen. Der Alte wohnte in einer unschuldig weißen Villa. Im Flur hing eine zerschlissene Reichskriegsflagge. Alter deutscher Baumadel mit eigenem Forstgut und Schmissen im Gesicht. Das gebenedeite Herrenzimmer eine dustere Gruft seiner Erinnerungen. Stehengebliebene, erstickte Zeit. Verhängt mit Spinnweben, und beweihräuchert mit Mottenkugeln. Zementiert mit schwerer Eiche. Deutsche Eiche, das sag ich dir, wo immer auch dein Auge blickte. Die Decke, die Wandtäfelung, der Boden, der riesige Schreibtisch, der Sessel, die Bücherregale, der tote Dreizehnender an der Wand, auch vielleicht eine Glückzahl. Der ausgestopfte Wildschweinkopf daneben, das knorrige, freundliche Hutzelmännchen darunter, das über die runzligen Backen strahlte. Alles Eiche, alles alte deutsche Eiche. Aber nicht seine Eiche. Nein.Nur das Raubgut eines Raubritters, nichts weiter. Obwohl er selbst einen riesigen Eichenwald besaß. Nur das alte Fotoalbum auf dem Schreibtisch aus schwarzen Leder, mit einem Hakenkreuz darauf, das nicht aus Eiche. Aber mit viel Eichenlaub innen drin. Er mit Josef, und auch mit seinen anderen Jagdgesellen. Kurz vor dem Endkampf in Wildschweinhausen. Als Josef die kleinen blonden Engel fliegen ließ, und sich ein Schäferhund namens Blondi in einem Bunker selbst erschoss.
Dann schob er mich aus seiner Gruft. Zeigte mir die drei Dalis, den Miró, und die zwei Picassos im Wohnzimmer, in dem natürlich schwere Eichenmöbel standen. Claro. Die Bilder, alles Fälschungen. Natürlich, was hast du denn gedacht? Nur der kauzige Alte war echt, und der Einbeinige, und all die Eiche. Natürlich, klar doch, Eiche kann man nun wirklich nicht fälschen. Die wirklich nicht. Das ist so ein Naturgesetz, da kann man nicht gegen an. Niemals. Ich hab ihm seinen Glauben gelassen, dem alten Narr. Dem betrogenen Selbstbetrüger. Menschen brauchen Illusionen. Claro.
Dabei fiel mir diese Geschichte ein, als ich als junger Mensch diesen Dr. Schuhmann kennenlernen musste. Ja, ich sage musste, denn freiwillig macht man so etwas sicher nicht. Es sei denn man hats im Blut. Obwohl?
Auch so ein kleines, unscheinbares, freundliches Hutzelmännchen. Das später seinen letzten Pesthauch beim Liebesspiel zwischen den geschrumpelten Brüsten einer alten SS Witwe tat, die ihn aufzupäppeln gedachte. Sein Freispiel hatte er dem rechts-blinden Staat zu verdanken. Sozusagen als Rabatt für die Anstrengungen und Umstände die jemand hat, wenn er nach einer anstrengenden Flucht dazu gezwungen ist, bei die Niggers leben zu müssen. Ausgerechnet bei die Niggers. Ha, ha, ha. Ist das jetzt schon schwarzer Humor, frage ich dich? Darf man sich da schon totlachen? Und vergiss vor allem nicht diese Sonne, diese heiße und gnadenlose Sonne Afrikas. Einfach unerträglich, vor allem wenn man viele Jahre vorher in einer NS-Tötungsanstalt in Sonnenstein dafür Sorge tragen musste, gut 15.000 Menschen in den Tod zu schicken. Ausgerechnet Sonnenstein. Wie sollte so einer da in Afrika zurechtkommen, wie sollte er das bloß aushalten? Mensch, bei der Hitze und bei der glühenden Sonne. Das muss man sich wirklich mal ernsthaft fragen. Einer aus Sonnenstein, ausgerechnet einer aus Sonnenstein. Afrika ist halt Afrika, und nicht Sonnenstein. Da wars doch auch viel kälter. Das muss man doch mal anerkennen. Und die Hitze von den Öfen die kann man nun wirklich nicht mit der Hitze in Afrika vergleichen, oder? Das ist doch unfair. Afrika ist halt Afrika, und Sonnenstein, Sonnenstein. Punkt. Und in Auschwitz Birkenau war er ja auch noch, und hat dort Tausende mit Röntgenstrahlen verstümmelt. Da sollen sie auch die Köpfe aufgebohrt haben um nachzuschauen, ob die Strahlungen die Gehirne beschädigt hatten.
Deswegen ist mir diese Geschichte wieder eingefallen, als ich mit dem Handicap-Ritterkreuzträger bei dem Eichenlaub-Ritterkreuzträger war. Als ich darüber nachdachte, warum man denen nicht mal die Köpfe aufgebohrt hat um nachzuschauen, ob die überhaupt ein Gehirn hatten. Aber die sind ja alle aus Eiche. Das ist zu hart, um das aufzubohren. Viel zu hart. Und dem Golfspieler sein Holzbein, na, man hätte es ahnen können, das war natürlich auch aus Eiche. Aus alter, knorriger, und harter deutscher Eiche.
Ich muss mal mit meinem Fontanero sprechen. Ich glaube der hat so eine Diamantsäge für die ganz harten Sachen. Sicher auch für die ganz harten Jungs. Vielleicht sollte man einfach erst mal mit dem Holzbein anfangen, auch wenn sich sein Handicap dann sicher um bestimmt fünfzig Punkte verschlechtern wird. Aber pass auf, der mietet sich dann sicher so einen kleinen Niggercaddy, den es hier auf jedem der dreizehntausend Golfplätze in Spanien umsonst gibt. Den bindet er sich dann an den restlichen Eichenholzstumpf. Damit kannste jedes Handicap locker überspielen. Claro, sag ich dir doch. Jedes. Das ist doch jetzt hoffentlich wirklich schwarzer Humor, oder?. Ein Brüller, echt zum totlachen. Claro, ist genehmigt. Aber über meine Glückszahl muss ich vorher noch einmal nachdenken. Könnte von Nutzen sein. Vielleich ist es ja auch die Dreizehn.