Die Würde des Menschen ist antastbar


Das Unglück im Herzen und den Fusel im Kopf, schreite ich hurtig voran. Folge der Spur der Lumpensammler, der Müllschlucker, der Kippenaufleser, und auch die der wehmütigen Wermutbrüder. Folge mir selbst. Wanke rastlos voran, in meinem heiligen Lebertran. Ich bin die untergegangene Hoffnung dieser Welt. Ich bin der Tetradrecksack der Wegwerfgesellschaft. Trunken entsteige ich gärenden Fruchtblasen, Weinschaum ums Maul. Sturzgeburtbesoffen plane ich meine Wiedergeburt auf der Basis von Flaschenpfand und gesammelten Kronkorkenkronen, die mir die Würde ersetzen sollen. Der aufgehende Mond ist meine wärmende Säufersonne, und der Dromeda Nebel mein geheimes Flaschenversteck. Herr, vergib mir mein Debit, die Zeche zahle ich selbst. Ich lobe dich Vater, der du mich pfandfrei geboren hast, dank der Kraft deiner Leber, und des heiligen Spiritus in deinen Flaschen. In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.
Ich schreite voran, immer dem Untergang entgegen. Sommers lebe ich in Parks, im Frühjahr und Herbst in leeren Friedhofshallen, und im Winter auf Warmluftschächten der Glitzerwelt. Einen Bettelstab brauch ich schon lange nicht mehr. Der ausgestreckte Arm ist noch nicht verkümmert, und wenn, schnitz ich mir einen neuen aus hartem deutschen Eichenlaub. Ich führe einen verhungerten Köter mit mir, um noch mehr Mitleid zu erpressen. Am Halsband trägt er einen alten Faschingsorden.
Danke für die milde Gaben. Gebt Futter für die Armen, Stroh für die Obdachlosen. Tiere sind in Not. Spendet für das Winterquartier. Habe Hunger trotz kiloschwerer Magengeschwüre und einer verfetteter Säuferleber. Ein Euro gegen die Dürre in mir. Die Würde des Menschen ist antastbar. Sie zu achten und ungeschützt zu hinterlassen, ist Verpflichtung meiner unseligen Gestalt. Neulich habe ich trotzdem im Glücksrad gewonnen. Einen Bodenstaubsauger und einen Backautomat. Die habe ich gegen ein Himmelreich aus Wehmutflaschen eingetauscht. Der Rest ist für eine Höllenfahrt in mein Sackgassenleben.
Ich bin auf dem Sprung und stolpere mutig voran, meiner neuen Heimat entgegen. Aus den Müllcontainern hinterm Güterbahnhof, an den Nizzaanlagen vorbei, immer weiter nach Osten. Dort wo die Säufersonne aufgeht, und sich sturzbetrunken in den Tag erbricht. Auf dem Main dümpeln Trauergondeln, an den Rudern ertrunkene Gondoliere. Aus der Stadt wehen Sirenengesänge herüber. Meine bettelnde Hand zeigt mir den Weg, mein Durst pflügt eine Schneise. Narren und Gaukler sind unterwegs, und ich lallend und vollgepisst mittendrin. Ich bin der Zauberer unter den Gebenedeiten, der aus Wasser Wein machen kann. Ich stürze mich auf die Weingummis, die funkelnde Mariechen von den Prunkwagen werfen. Mir ist es egal, ob ich mir meinen Rausch auch anfressen kann, man muss alles ausprobieren. Am Aschermittwoch verlöscht das Freibier, und Bierleichen werden durch die Gassen treiben, dann ist es vielleicht zu spät, noch einen Platz in der Hölle zu finden.
Oh, du mein Morbus Frankonovurd. Gepriesen seist du, Krankheit der Neuzeit. Gebenedeit sei der aufgeblähte Leib deiner Glaspaläste, deine Wortbruchhallen am Römerberg. Und auch das eilige höhnische deutsche Reich am Paulsplatz sei geehrt, auf dem bußfertige Barfüßermönche Klosterfrau Melissengeist an Bedürftige verteilen. Gepriesen seien die Konsumkathedralen auf der Zeil, und die vergoldete Armanitafel in der Fressgasse, an der hungrige Berber Platz nehmen dürfen. Mc Donald‘s hat Gutscheine für Armbürger de Luxe, vier Hartz Angebote gibt’s heute bei Kleckermann. Aro mit der Goldkante hätte meine Zukunft sein können, bevor sie mich abgehängt und mit der Müllabfuhr entsorgt haben. Ich krieche in die Altkleidercontainer und suche mir die Lumpen für meine Dritte Welt. Nie werde ich dem Paradies so nahe sein, wenn ich mich reich beschenkt und in Prada gehüllt vor mir selbst verneige. Oh, Heiliger St. Spiritus, Jägermeisterfläschchen wachsen am Baum der Erkenntnis. Adam poussiert am Bahnhofsstrich, und Eva schafft in einem Puff in der Niddastraße an. Der Rest sonnt sich Glanz der Heiligsprechungen, und lässt sich die Paradiese vom Schneider richten. Marmorstein der Eisen bricht. Und ich nur am Rande in den Abfalleimern von Schlemmermann. Mich bricht es auch, bis ich die letzten Wohlstandsreste aus mir herausgekotzt habe.
Wiederauferstanden aus Ruinen, und dem Mammon zugewandt. Wo Gutmenschen maßgeschneidert werden, und in Champagnerwhirlpools leben. Wo die längste Praline der Welt in ausgefranzten Arschlöchern steckt, und als goldenes Trüffelschwein wiedergeboren wird. Oh, du mein Frankenfurz, wie hab ich dich gelitten, bevor du mir entglitten bist, und du mich abgetrieben hast. Wie viele Bankert leben unter den Bänken, und wie viele unter Bänkern? Bei Wampe Wempe gibt’s heute Diamanten zum Ramschpreis, das Kilo für eine Million. Die iranischen Teppichhändler verkaufen Kaviargranaten statt Bombenvorleger. Die Narren in der Bütt tragen rostige Dornenkronen, und ich meinen Mariacrone, den ich nur mit nackten Betschwestern teilen werde, die noch ihr Jungfernhäutchen besitzen.
Frankfurt lacht zur Fassenacht. Im Kaufhof gibt’s kostenlos rote Pappnasen, und im Karstadt Bombengürtel für Selbstverbraucher. Nur ich, der Sperrmüll von Rudis Resterampe, muss sich selbst entsorgen. Die Karawane zieht weiter, nicht nur der Sultan hat Durst. Die Sirenen kreischen, und die Blaulichter laden zum Tanze. Wankend und trinkend taumele ich mit. Dann um die Ecke herum, hinauf ins glitzernde Oberdorf. Ihr Polizeiritter in Kettenhemden von Joop, und Designer Blaulichtern von Colani auf dem Schädel: Beschützt mir den Brut am Opernplatz, bevor euch die Brut die Plörre vergiftet. Zug um Zug, bis auch der goldene Becher bricht.
Achtung, Achtung! Sperrt die Kinder ein, die schunkelnden, trunkenen Gaukler sind in der Stadt. Die Narren sind los, denn heut ist Fassenacht, so wie das ganze Jahr.
Der Dompfaff in der Bütt erteilt Absolution für die Gardekinder. Dann lüftet er die Soutane und heißt sie mit einem Vertusch willkommen. Bald ist Fastenzeit, dann wird er sich mäßigen müssen. Herr erhöre seine Fürbitten. Lass uns im Jesuitenstift ein Bittgebet sprechen, dass es seine Spermien nicht weiter verklebt. Buße tut nicht not, weil wir alle Sünder sind. Wir saufen alle aus gleichen Schierlingsbechern. Im nahe Zoo masturbieren die Gorillas, und schütteln sich einen von der Palme. Für den Palmsonntag hat der Wärter aufblasbare Gummipuppen beim Beate Uhse bestellt. Am Totensonntag saufen wir den Fusel aus abgehängten Totenglöckchen.
Wir sind das Unmaß aller Dinge, wir treiben dem Wahnsinn entgegen, und reißen alles mit. Morgen werde ich im Dom Messwein ins Weihwasser schütten, und den Ungläubigen zum Saufen geben. Bloody Maria werde ich meinen Endzeitcocktail nennen, bevor mich Paulus zum Saulus und zum Unheiligen der letzten Tage ernennt. Armageddon wird mein Name sein. Buchen sie eine Kreuzfahrt nach Sodom und Gomorrha, täglich ab Osthafen, und dann auch ins Tote Meer. Das Lamm mit dem siebenten Kaschmirsiegel flieht aus der Abdeckerei, und die Destille im Himmel gewähret nur eine halbe Stunde lang reinen Weingeist, bevor die dümmsten Schafe im Tremens Delirium bei neunzig Grad zu heiß gewaschen werden. Hurra, wir werden uns totsaufen, bevor wir weiter schrumpfen, und unsere Gehirne bei tausend Umdrehungen trockengeschleudert werden, und die Endzeit endgültig beginnt.
Blutroter Kaviar wird dann klumpig vom Himmel regnen, den die Eiszeit zwischen den Champagnerständen am Opernplatz festfrieren lässt. Wildlachs wird es hageln, und den Kauernden die Schädel einschlagen. Trüffelschweine werden eiskalt abserviert, und verenden im Schneegestöber zwischen goldenen Dinersclubkarten.
Darfs noch ein Vueveglykolchen sein, Gnädigste, wird ein Scharfrichter die diamantbehängte Opernplatzkuh mit den Siliconeutern und der säugenden Brut befragen, oder soll ich ihren Blaufuchs erschlagen und den Hungernden zum Fraß vorwerfen?
Tod den Palästen und ihrer vollgefressenen Dienerschaft. Wir verkaufen das Fett an Brot für die Welt. Der Blaue Bock sendet live von der Hauptwache. Und Heinz Schenk singt ein Totenlied zusammen mit David Bowie, bis sie der Schlaganfall ereilen wird. Die Sterne einiger Fresstempel downtown Mainhattan werden im Fegefeuer verglühen. Eine neue V.S.O.P Weltordnung wird kommen, und Mariacron wird die Königin sein. Ein irrlichternder Schmalhorst wird Küchenmeister werden, damit wir uns nicht mehr so zulafern müssen. Wenn Geld schon keine Rolex mehr spielt, dann kann man auch den Rest Lacotzen. Aus der letzten verbliebenen Pferdemetzgerei am Kaisersack wird ein abgehalftertes Pferd wanken, und das wird feuerrot sein. Und dem, der darauf sitzt, wird Macht gegeben sein, den Frieden von der Erde zu nehmen, dass sie sich untereinander umbringen. Und hinten der dunkelsten Ecke der Abdeckerei wird ein schwarzes Pferd stehen. Und der darauf sitzt, hat ein Börsenthermometer in seiner Hand, und schiebt es sich in den eurogenormten waidwunden Arsch. Und ich höre die Stimme eines Ackermannes sagen: Ein Maß Weizen für einen Silbergroschen und drei Maß Gerste für einen Silbergroschen; aber dem Öl und Wein tu keinen Schaden! Das wird mir Mut machen, und mein Säuferherz erfreuen. Mein Durst wird gestillt werden, und auch mein Magen wird nicht hungrig knurren. Als Tagesgericht ein fahles Pferd im Verwesungszustand. Und der es aß, dessen Name war: Der Tod. Und die Hölle folgte ihm nach. Die Frankfurter Würstchen werden Trauer tragen, und Graf Voelsing muss wegen der Schweinepest schließen. Schlachtreife Lämmer werden in Volksbanken gekeult, und Herrenreiter auf der Rennbahn hingerichtet. Die Wetten stehen eins zu eins. Einarmige Austernfischer sitzend frierend am Lucae Brunnen, und lutschen verzweifelt gefrorene Iglu Fischstäbchen. Die Stände sind leergefressen, und der Weinschaum verrinnt faulend zwischen den Gullydeckeln. Was für ein Fest für die Herzen, für die Sinne, für den Irrsinn. Bankfurt, ich häng an dir, Krankfurt ich leb in dir. Bis die Sonne im Osten untergeht.
Die sieben Engel mit den sieben Posaunen rüsten sich zum Blaskonzert, und wir dilettieren beim Deutschmeister Marsch mitten in den Untergang hinein.
Nur ich sitze sturzbetrunken auf dem Bullen am Börsenplatz, und reite gelassen dem Sonnenuntergang entgegen. Ich bin der Marlboromann ohne Leberflügel, und ich pfeif auf euch, und sowieso auf dem letzten Loch. Meine Lunge ist so schwarz wie meine Seele, und ich erfreue mich an eurem Untergang.
Wer hat der hat, und der braucht schon lange nichts mehr. Außer einem Gnadentod in der Abdeckerei. Ich schlürfe die Milch der frommen Denkungsart aus Champagnerpfützen, und lösche sie dann mit Stroh Rum ab. Hinten auf der Festwiese fahre ich stundenlang Achterbahn, bis ich von oben die Stadt erbreche. Dann wanke ich davon, am Eschenheimer Turm vorbei, immer in Richtung Osten. Meiner neuen Raststätte entgegen. Trinkhallen säumen meinen Weg, und ich schunkele mit den Gardemädchen mit.
Und wie ich so schwanke durchs finstere Tal, sehe ich ein Menetekel an der Fassade am Weltgericht. Über der Mauer des Schweigens prangen riesige metallene Lettern, vor Urzeiten von irren Dombaumeistern angebracht. DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR, steht dort geschrieben. Die Baustelle leer, die Gerüste verwaist. Ich breche in einen der Bauwagen ein, Gottes Werkzeuge zu beschaffen. Die Nacht ist hereingebrochen, und hat ihren Deckmantel über mich geworfen. Oben auf dem Gerüst bin ich der Gott Befohlene, und handele auch im Auftrag der anderen Herren. Und auch wenn ich schon wandere im finsteren Tal, fürcht ich kein Unrecht. Der rechte Pfad ist mir befohlen. Nach zwei Stunden habe ich die WÜRDE entfernt. Zusammen mit drei Doornkaatsklaven und zwei besoffenen Jägermeistern schleppe ich sie mühsam meinem Ziel entgegen. Runter zur Schönen Aussicht, und immer weiter nach Osten. Dort wo rostige Kräne stehen und tote Kraniche vom Himmel regnen, will ich meine Leber für immer hinterlegen und konservieren lassen, um dann mit der Würde zu sterben.
Willkommen im Grenzland. Im Ausgrenzland. Da wo der Aussatz noch Umsatz macht und goldene Früchte trägt. Blutleere Berberritzen weisen den Weg. Sperrgebiet. Niemandsland. Turmhohe Mauern aus Wellpappe, dahinter Paläste aus Umzugskartons und Pradatüten. Kathedralen des Unterganges, gezimmert und gepresst aus schwerer Zellulitis fetter Millionärsgattinnen. Bis die Verlausten und die Zerlumpten ihrer habhaft wurden, und ihr Reich kommen ließen. Vergängliche Mobilheime, Luftschlösser, von einem zornigen Gott in den Himmel gerissen, und in aufgequollener Pappe wiedergeboren. Der nachtfeuchte Flussnebel hat sich über sie geworfen, und dann seinen fauligen Schimmel in sie gegossen. Die alten Wacholderbüsche an den Palasteingängen tragen Schraubverschlüsse und blühen bei vierzig Prozent. Schinkenheger pflegen sie, damit die Quellen nicht versiegen. In den Kemenaten lagern betrunkene Gestrandete, das Verfallsdatum längst überschritten. Sie schlafen auf Wasserbetten, gefüllt mit dem Doornkaat ihrer quartalsaufenden Erzeuger. Die Krätze am Arsch, die Gichtfinger klamm, und mit blutgierig dürstenden Läusen auf den mariacronten Häuptern. Verkümmerten Embryos gleich sitzen sie auf feuchtem Muttermund, und erwarten die letzte Ölung von Don Perignon, dem Weihepriester aller armen Schlucker. Die Nabelschnur in einem Bembel mit Wehmut, der Strohhalm an den sich das Restleben klammert. Alles auf einmal, und einen trockenen Hals dazu. Weil das hier so Asbach ist, und weil wir uns das wert sind. Weil einem dann vielleicht nichts Gutes widerfährt.
Endstation Sehnsucht! Intensivstation Wermut, Wehmut, Todesmut. Der Doktor braucht nicht zu kommen. Die Betschwestern tragen bereits Tod, und die Klistierspritzen in unseren Ärschen sind mit Branntwein gefüllt.
Achtung, Achtung ! Zurücktreten von der Brotsteigkante. Hier kommt kein Zug mehr an, hier ist die Endstation zur Hölle. Zwischen den verlassenen Gleisen wuchern prächtige Leberzirrhosen. Lallende Schnapsdrosseln hocken auf leergefressenen Mülleimern und lauern auf Beute. Auch die Ratten müssen bleiben, weil das sinkende Schiff bereits auf seiner Kreuzfahrt im Toten Meer ist.
Im Main dümpelt Flaschenpost mit Abschiedsbriefen. Der Altglascontainer hat Hochkonjunktur. Grüße aus Anderland, Grüße vom Monte Menschelino. Grüße von den Zurückgebliebenen, den Übriggebliebenen, den Hinterbliebenen. Grüße vom Scherbenhaufen und vom Abfallhaufen dieser Welt. Der Himmel öffnet nochmals seine Schleusen, und lässt Lebertran regnen. Aber es ist zu spät. Mein Gesundheitspass ist abgelaufen. Ich stehe an der Pforte zum Säuferhimmel und bettele um Einlass. Er wird mir gewährt. Die Berberritzen betten mich weich auf ihre offenen Geschwüre, und warten auf ihre Gastgeschenke. Ich flehe zu Gott, damit er Flachmänner regnen lässt. Ich selbst bin guten Mutes. Meinen lebenslänglichen Freisaufschein habe ich im Sozialamtslotto gewonnen, und tausche ihn gegen eine Trinkerrente für Quartalssäufer ein. Alle drei Monate ein Fass Mariacron, das ist meine neue Beständigkeit, bis das der Tod uns scheidet. In der Ferne klingeln Millionen von Totenglöckchen.
Inmitten der Paläste schichten wir einen Grabhügel auf. Die mitgebrachte WÜRDE als Arche Noah oben darauf. Wir sind die ausgestopften Tiere der neuen Welt, und wir werden sie schwankend und lallend verlassen. Leonardo DiCaprio und Kate Winslet singen zur Schiffstaufe. Dann lasse ich eine Flasche Korn an ihren Designerschädeln zerschellen. Der lecke Kahn wird uns zu neuen Ufern bringen.
Achtung, Achtung ! Zurücktreten von der Bordweinkarte. Alles einsteigen, alles einsteigen, wir sind der Genpool der neuen Anderwelt, die wir auf Flaschenpfand erbauen. Und unser Säuferchor singt, „Schwer mit den Schätzen des Orients beladen, ziehet ein Schifflein am Horizont dahin:“ Dann umarmen wir die Würde und brechen in Tränen aus. Sie ist tastbar, sagt ein hemmungslos weinender zahnloser Betrunkener, bevor er das vergammelte Labskaus über ihr erbricht, und dann doch noch lachend verendet.
Bevor wir abreisen werden wir uns noch stärken müssen. Unser Tisch ist immer gedeckt, und der Fusel fließt aus dem Quell nahe den Wacholderbüschen. Es ist schön hingerichtet, wo könnte es besser sein. Reservieren muss hier keiner mehr. Wir leben vom Inhalt der Container und von Schlachtabfällen. In der nahen Trinkerhalle haben wir Kredit. Wir sind die Badbank und handeln mit hochprozentigen Trinkeranleihen. Wir sind die Vertriebenen, Abgetriebenen, Zurückgebliebenen, die Übriggebliebenen, die Hinterbliebenen. Wir sind der Abfall dieser Welt. Unser Weinschaum küsst den Abschaum, und der sind wir selbst. Gebenedeit sind die Müllcontainer hinter der Großmarkthalle, denn da ist das Himmelreich, für diese und jene, und vielleicht auch schon morgen für dich. Wir leben im Rhythmus der Verfallsdaten, weil wir schon seit der Geburt abgelaufen sind.
Montags den Schimmelkäse bei Aldi, dienstags die grüne Gelbwurst bei Rewe. Am Mittwoch fressen wir Gammelfleisch bei Minimal. Donnerstag entern wir die Müllcontainer bei Lidl, und am Freitag sind faulige Hühnerbeinchen von Schleckermann dran. Alles muss raus, hurra, es ist Schlussverkauf. Die Maden laufen um ihr Leben, bevor sie es an uns verlieren. Gehuldigt sei das Verfallsdatum, das uns das Sozialamt zum Abschied schenkt. Der Tod muss noch ein wenig warten. Die Abdeckerei im Schlachthof bietet frischen Leberkäse an. Das ersetzt mir meine verfaulte Leber, und ich heb mein Glas auf all die toten Schweine.
Hier unten am Fluss. Am Fluss des Lebens, wo der Lebensfluss versiegt. Erst der Stillstand der Zeit, dann der Zerfall. Ein Rinnsal aus Urin, und dem Gestank verfaulenden Fleisches und eiternder Zahnstümpfe. Ganz am Schluss der Sprung auf die wankende Arche, die uns schunkelnd in die Hölle erbricht.

Ich verlasse Chicago über den Highway 17 und 4. Bis New York sind es noch gut siebenhundert Meilen. Mein First-class Ticket bei der Lufthansa hat mir “Brot für Geld” spendiert, weil ich ein bankerter Schweinepriester bin. Schon Samstagmorgen werde ich in Frankfurt sein. Als erstes bringt mich mein Chauffeur in die Schillerstraße, damit ich mir dort eine neue Maßkutte fertigen lassen kann. Dann geht’s zum Plöger, Kaviar und Austern fressen. Dann muss ich mir noch Schnee besorgen, damit niemand unnötig schwitzen muss. Am Abend sauf ich dann Veuve Klicköchen bis zur Bewusstlosigkeit, und hänge meinen Schwanz in pelzbehaarte alte Damen, deren Erbe ich vermehren will. Am Sonntag gehe ich zum Gottesdienst, und werde großzügig einen Euro für Brot für die Welt spenden. Jeder Penner, der mich daran hindert, den trete ich sicher in den Arsch. Nächste Woche segne ich ein Kinderdorf in Afrika zusammen mit Tommy, der aus einem Hubschrauber Negerküsse von Haribo auf die Kriegswaisen regnen lässt. Den Rest des Jahres verbringe ich mit meinem guten Gewissen wieder in Castel del Golfo. Das bringt mich meiner Heiligsprechung sicher wieder etwas näher. Vielleicht besuche ich auch einmal meinen Psychiater im Vatikan, bei dem ich meine Albträume loswerden kann. Die Hölle lauert überall, man will ja nicht im Fegefeuer enden.

©Friedrich Hucke